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  Ist die Schilddrüse schuld?
Artikel vom: 2006-09-11
 
  Auf der Suche nach der Ursache für ihre vielfältigen Beschwerden denken viele erst sehr spät an das kleine schmetterlingsförmige Organ vor der Luftröhre  
  Prof. Spelsberg aus München wird oft als Letzter gefragt. In der Reihe der Fachleute steht er hinten an, wenn Patienten Rat suchen, warum ihr Herz aus dem Takt gerät, ihnen Namen nicht einfallen oder geruhsamer Schlaf für sie ein Wunschtraum bleibt. „Viele schieben das aufs Alter oder denken an Herz-Kreislauf- Probleme“, erläutert Spelsberg. Dabei erlebt der Schilddrüsenexperte oft, dass sich das kleine, schmetterlingsförmige Organ vor der Luftröhre als Übeltäter ausmachen lässt. Die Schilddrüse produziert Hormone, die lebenswichtige Vorgänge im Stoffwechsel steuern. Kursieren zu wenige oder zu viele davon im Blut, läuft der Körper auf Sparflamme – oder er reagiert über.

Fachleute gehen davon aus, dass etwa jeder Vierte jenseits der 60 an einer Schilddrüsenerkrankung leidet. Ob in der Schilddrüse etwas schief läuft, lässt sich im Grunde schnell feststellen. Bluttests und Ultraschalluntersuchungen sind die Methoden der Wahl. Das Problem ist nur: Bei Älteren bieten Blutwerte meist keine optimale Orientierung. „Bei bestimmten Schilddrüsenhormonen sind die Grenzwerte für ältere Patienten zu hoch“, kritisiert Spelsberg. Daher gibt es Grauzonen, wo bereits gesundheitliche Probleme auftauchen, obwohl auf dem Laborzettel nichts Auffälliges zu erkennen ist.

Ein Symptom fällt kaum auf
Nicht nur deswegen wird die Schilddrüse als Krankmacher bei Älteren häufig verkannt. Auch die Beschwerden, die das kleine Organ auslöst, sind im Alter nicht mehr so typisch ausgeprägt. Erschwerend kommt hinzu: „Die Krankheitssymptome tauchen nicht mehr in der Vielzahl auf. Oft macht sich nur eins von ihnen bemerkbar“, erklärt Prof. Spelsberg. Manchmal ist es „nur“ das Herz, das aus dem Takt gerät. Oder es macht sich lediglich bleierne Müdigkeit breit. Dann tippen auch Experten leicht auf einen anderen Auslöser: Das Alter oder der Kreislauf, Alzheimer oder Magenprobleme zählen zum Kreis der Verdächtigen. Ebenso oft vermuten Kranke und Ärzte Wechseljahre als Auslöser für die Beschwerden, obwohl die Schilddrüse hinter den Hitzewallungen oder der Schlaflosigkeit steckt.

Zu den auffälligsten Drüsenerkrankungen im Alter zählt der Kropf. Grund zur Sorge besteht bei dieser gutartigen Wucherung, die durch Jodmangel entsteht, meist nicht. Aber: „Im Kropfgewebe Älterer finden sich häufig mehrere Knoten“, erklärt Prof. Spelsberg . Diese knotigen Gewebeveränderungen können plötzlich beginnen, verstärkt Hormone zu produzieren. Ernste Gefahr droht, wenn das Gewebe bösartig wuchert. Laut Experten kommt das zwar nur selten vor. Deswegen aber Kontrollen der Blutwerte beim Arzt lax zu handhaben, hält Prof. Spelsberg für fahrlässig. „Jeder Kropf kann in Krebs umschlagen.“

Der Organismus greift die kleine Drüse an
Weitaus häufiger im Alter: Die Schilddrüse produziert zu wenig Hormone. „Oft steckt eine Autoimmunerkrankung dahinter“, sagt Prof. Roland Gärtner, Schilddrüsenexperte aus München. Aus ungeklärten Ursachen richtet der Körper Abwehrstoffe gegen die Drüse, so dass sie sich entzündet und nicht mehr voll funktionstüchtig ist. Die Hashimoto-Thyreoiditis, wie die Entzündung in der Fachsprache heißt, entdecken Ärzte meist recht spät, „sie entwickelt sich über Jahre schleichend“, erklärt Gärtner. Schilddrüsenleiden lassen sich mit Tabletten gut behandeln. Doch Experten mahnen: Ältere nehmen häufig mehrere Medikamente gleichzeitig ein. „Schilddrüsentabletten vertragen sich mit diesem Pillen-Mix schlecht“, warnt Spelsberg. Andere Arzneien wie bestimmte Herzmittel beeinflussen die Wirkung der Schilddrüsentabletten. Spelsberg empfiehlt daher, das Drüsenmittel eine halbe Stunde vorm Frühstück einzunehmen, „und zwar immer getrennt von den anderen Medikamenten“.

Noch eine andere Gefahr für die kleine Drüse: Bestimmte Herzmittel, Multivitamin- und Algenpräparate enthalten zum Teil hohe Dosen an Jod. Was eine Gefahr für die knotige Schilddrüse bedeute: „Sie kann dadurch aus dem Lot geraten und eine Überfunktion entwickeln“, erklärt Spelsberg. Beim Thema Jod warnen die Experten sowieso: Deutschland ist zwar nach Ansicht von Experten immer noch ein Jodmangelgebiet, „aber Ältere brauchen trotzdem keine Extraportion Jod“, sagt Gärtner, Sprecher des „Arbeitskreises Jodmangel“. Für Schilddrüsenpatienten sind die regelmäßige Kontrolle der Blutwerte beim Arzt und eine Ultraschalluntersuchung der erkrankten Drüse viel wichtiger.

Das komplizierte Regelwerk der Schilddrüsen-Hormone gerät schnell aus dem Ruder. Produziert die kleine Drüse zu wenig oder zu viele Hormone, hat das Folgen für Leib und Seele, auch wenn die Symptome im Alter nicht mehr so eindeutig scheinen.

Befinden
Zu wenig Schilddrüsenhormone machen müde, fast depressiv wirkt jemand, der unter dem Mangel leidet. Wer mit dem Gegenteil kämpft, quält sich mit Unruhe, gereizter Stimmung und Gefühlsschwankungen.

Nerven und Muskeln
Hinter zitternden Händen, Muskelschwäche und Unruhe steckt oft eine überaktive Schilddrüse. Sind dagegen die Bewegungen träge, deutet das auf eine inaktive Drüse.

Herz und Kreislauf
Stolpert Ihr Herz? Rast aber vor allem Ihr Puls? Dann arbeitet die Schilddrüse vielleicht zu aktiv. Bei einer Überfunktion des Organs ist der Stoffwechsel beschleunigt, und das Herz muss mehr Blut transportieren. Auch eine Unterfunktion macht dem Herzen zu schaffen. Dann beschleunigt sich die Gefäßverkalkung, das Risiko für Angina pectoris steigt damit.

Weitere Auswirkungen: Der Puls verlangsamt sich, und der Blutdruck steigt an.

Sexualität und Potenz
Flaute im Bett? Die Schilddrüse kann Lustkiller Nummer eins sein. Libidoverlust und Erektionsstörungen können auf ihr Konto gehen. Eine Überfunktion der Drüse hat im Alter hingegen keinen Einfluss auf unser Liebesleben.

Magen und Darm
Wieder ein paar Pfunde mehr auf der Waage? Bei einer Unterfunktion der Schilddrüse verlangsamt sich die Darmtätigkeit, Verstopfung tritt als Folge auf, der Hunger lässt nach, trotzdem legt man an Gewicht zu. Der Grund: Alle energieverbrauchenden Vorgänge im Körper sind gebremst. Durchfall und Heißhunger mit gleichzeitiger Gewichtsabnahme sind typische Beschwerden bei einer Schilddrüsenüberfunktion. Besonders bei älteren Betroffenen führt das schnell zu einem Kräfteverlust.
ADRESSE
Weitere Informationen erhalten Sie bei der Schilddrüsen-Liga, Ev. Waldkrankenhaus, Waldstraße 73 in 53177, Bonn; Tel.: 02 28/3 86 90 60

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